Der Lichtfuchs

Wenn der Regen kommt, such' ich mir ein geschütztes Plätzchen und hör' dem Regen zu. Heute hat auch eine Menschenfrau unter dem Blätterdach Schutz gesucht, sie ist ganz still und lauscht. In ihrem Herzen ist Frieden. Wir sind beide ein bisschen aufgeregt und neugierig aufeinander - wie spannend, ich werde ihr von mir erzählen:

Der Regen macht Musik. Hörst du sie auch? Leichte schwebende Töne, ein leises Klingen und Singen, ganz zart und sanft. Langsam kommt ein Rhythmus dazu, ein immer stärker werdendes Pochen und Klopfen und dann ein lautes Trommeln. Jetzt gesellt sich der Wind zum Regen, zusammen machen sie ein brausendes Konzert, ein wildes Stakkato in wundervoller Lautstärke - nichts anderes ist mehr zu hören.

Nach dem Regen kommt die Sonne wieder aus den Wolken, die Tropfen an den Halmen schillern in allen Farben und die Düfte steigen aus der Wiese. Der warme dunkle Duft der Erde - das Gras riecht grünlich, die Blumen süß und vielfältig und die Bäume holzig und harzig. Weiter hinten steigt der Duft schlammig und modrig aus der Altmühl. Einzigartig wie kein anderer Fluss.

Unter der Erde höre ich den Maulwurf graben und auf der Erde klopft der große Feldhase. Der Wind trocknet das Gras und er lässt es wogen wie das Wasser, ein Grasmeer, in das ich schaue und die Woge erreicht und bewegt auch mich im Inneren.

Jetzt lass ich mich erstmal auf die Erde plumpsen und mir von der Sonne den Pelz durchwärmen. Vielleicht legst zu dich auch zum Wälzen hin? Morgens und abends wenn die Nebel aufsteigen bewege ich mich zwischen den Schleiern wie durch die Andere Welt, voller verborgener Geheimnisse, verschluckter Formen und Farben. In der Dämmerung hat der Himmel oft viele Farben und in der Nacht leuchten die hellen Sterne. Im Sommer fallen ganze Herden von Sternen durch das All. Weißt du, wohin die Milchstraße führt?

Im Winter kommt die Kälte - gut, dass ich meinen wolligen Unterpelz bekommen habe. Wenn der Schnee fällt, wird die Welt ganz still, so leise fallen die Flocken und ich horche genau und lange hin, bis ich hinter ihrem Fallen die Stille hören kann. Die Stille ist ein weites ewiges Land, es ist auch in mir und wahrscheinlich auch in dir.

So unendlich schön und voller Wunder ist die Welt durch meine Sinne. Mein Staunen und Wundern sind so groß, dass ich platzen könnte vor Freude. Ich springe in die Luft und schlage Purzelbäume, finde ein Stöckchen, werfe es hoch in die Luft und fange es im Flug. Jauchze und fiepe vor unbändiger Freude. Wenn ich mit dem Schmetterling spiele, fühle ich mich so leicht und frei und meine, fast ich könnte auch fliegen. Bin so übermütig und will den Bussard fangen. Er lacht mich dann immer aus: Du erwischst mich sowieso nicht! Darüber muss ich auch lachen, weil ich doch sowieso heute schon satt bin. Es ist nicht so, dass ich nicht auch den Hunger kenne, besonders im Winter, wenn die Maus mir dann doch entkommen ist. Oder dass ich sehr traurig bin, weil meine liebste Gefährtin verschwunden ist und ich solche Angst hatte, dass auch ich erwischt werde und dann verschwunden bin.
Aber da ist auch meine Mutter Erde, sie trägt und hält und versorgt mich. Und da ist auch dieses Licht, das mich umgibt und mich tröstet. Es ist immer da, auch wenn ich es manchmal nicht sehe und spüre.

Ich danke dir, Menschenfrau, für dein Bei-mir-Sitzen und dein Lauschen.
Und ich danke dir für dein wunderschönes, glühendes Herz.


gemalt von Sonja Grünsteidel